Professor Dr. Max Ettinger ist seit Januar neuer Direktor der Universitätsklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie und Professor für Orthopädie an der Universität Oldenburg und hat das neue Gerät gleich zu seinem Antritt im Pius-Hospital eingeführt. In Hannover, wo er bis dato tätig war, hat er bereits einige Jahre lang Erfahrungen damit gesammelt. „Das Kniegelenk ist ein sehr komplexes System mit einer individuellen Biomechanik. Nicht nur Knochen und Knorpel eines jeden Knies unterscheiden sich, sondern auch die Weichteile wie Sehnen und Bänder sind von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Diesem Umstand tragen wir in der Endoprothetik heute durch neue technisch-digitale Möglichkeiten viel mehr Rechnung “, erklärt Professor Ettinger, der im Pius-Hospital auch für das EndoProthetikZentrum der Maximalversorgung (EPZmax) verantwortlich ist.
„Das roboterassistierte System unterstützt uns dabei, die unterschiedlichen anatomischen Verhältnisse im Zusammenspiel mit dem gewählten Prothesentypus zu berechnen und die spätere Funktionsweise des Gelenks patientenindividuell zu simulieren. Das passiert bevor überhaupt gesägt wird.“ Dafür wird während der Operation innerhalb weniger Minuten durch einen Sensor das Kniegelenk optisch abgetastet und eine 3D-Darstellung erzeugt. Eine zusätzliche CT-Aufnahme ist nicht mehr notwendig. Die gewonnenen Daten und der finale Plan speisen dann das robotische Fräswerkzeug, das die Chirurgen benutzen, um den Knochen für die Prothese aufzubereiten. Außerdem gibt die 3D-Rekonstruktion der patientenindividuellen Anatomie Aufschluss über die exakte Positionierung des künstlichen Gelenks und darüber, wie fest oder locker das Gelenk implantiert werden muss, damit es für den jeweiligen Patienten ideal passt und sich geschmeidig bewegt. Das Gerät ermöglicht es also das Implantat an die anatomischen Verhältnisse des Patienten anzupassen. Das System unterstützt sowohl bei der Planung als auch bei der Durchführung der Operation, ersetzt jedoch nicht die Chirurgin oder den Chirurgen. Dr. Peter Savov ist Klinikdirektor Ettinger aus Hannover nach Oldenburg gefolgt und kennt das Gerät daher bereits sehr gut. „Wenn sie in der Technik sehr gut geschult sind, können versierte Operateurinnen und Operateure dadurch noch besser und präziser arbeiten“, so der Oberarzt. Da in der Klinik in Oldenburg bereits vorher mit einem Navigationssystem gearbeitet wurde, einer Art Vorstufe des roboterassistierten Operierens, ist es den Chirurgen im Team nicht schwergefallen, die neue Technik zu erlernen und anzuwenden.
In der Nordwest-Region ist das roboterassistierte OP-System das bislang einzige seiner Art und wird im Pius-Hospital seit Januar bei allen Patienten, die eine Total- oder Teil-Endoprothese des Knies benötigen, eingesetzt. Anders als bei Hüftendoprothesen, mit denen meist deutlich mehr der Operierten im Anschluss zufrieden sind, stellte es sich beim Kniegelenk oft anders da. Auch wenn Erfahrung und Qualifizierung des behandelnden Teams und das Patientenengagement bei der Rehabilitation auch weiterhin eine entscheidende Rolle für den Erfolg der OP spielen werden, stößt die operative Weiterentwicklung demnach auf einen großen Bedarf. Laut Professor Ettinger profitierten alle Behandelten davon. Bei Patienten, deren Anatomie stark von der sogenannten Norm abweiche, lohne sich der Einsatz jedoch am allermeisten: weniger Schmerzen, weniger Korrekturen bei mehr Beweglichkeit und höherer Zufriedenheit und nach der Operation eine zügigere Rehabilitation seien die Pluspunkte der Behandlung.
Die Universitätsklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie hat außerdem eine Datenbank aufgebaut, welche Angaben zu Patientensicherheit und -zufriedenheit langfristig sammelt, um in Zukunft auch mithilfe von künstlicher Intelligenz die OP-Methoden immer weiter zu verfeinern. „Zwar haben wir noch keine Langzeituntersuchungen, aber in Hannover erhobene Daten legen bereits jetzt die positiven Auswirkungen der roboterassistierten Chirurgie durch gesunkene Frühkomplikationen nahe“, so Professor Ettinger. Knieprothesenoperationen gehören mit über 200.000 Fällen pro Jahr zu den häufigsten Eingriffen in Deutschland, doch der Einsatz der Roboterchirurgie hat sich hierzulande mit einem Anteil von circa sieben Prozent noch nicht durchgesetzt.