Meilenstein fürs Pius-Hospital Oldenburg: Neuer Gebäudeteil „F-Flügel“ nach fünfjähriger Bauzeit fertig gestellt
40.000 Meter Starkstromkabel, 30.000 Meter Datenkabel, 1.200 Meter Lichtwellenleiter und 2.500 Datenanschlüsse bei einer Gesamtbruttogeschoßfläche von 3.700 Quadratmetern: Im neuen Funktionsgebäude „F-Flügel“ des Pius-Hospitals steckt viel drin. Hinter der zurückhaltend schlichten Fassade des sorgfältig geplanten Neubaus, der sich nahtlos in das bestehende Ensemble des Krankenhauses in der Oldenburger Innenstadt einfügt, befinden sich nach der nunmehr vollständigen Fertigstellung im Frühjahr 2021 neue Operationssäle samt Hybrid- und Augen-OP, eine neue Intensivstation, eine Bettenstation, eine Technikebene für die Lüftungs- und Kältezentrale sowie Werkstatt- und Büroflächen.
Ein früheres Schwesternwohnheim musste im Jahr 2014 weichen, um für den dringend benötigten Neubau Platz zu schaffen, dessen Umsetzung ein bedeutender Meilenstein eines umfassenden baulichen Masterplans von 1990 darstellt. 2008 ging es in die konkrete Planung des 38-Millionen-Euro-Projekts, das nach einem Förderantrag an das Land Niedersachsen 2011 bewilligt wurde. „Um so ein ambitioniertes Bauprojekt zu realisieren, welches wie in diesem Fall wichtige Schlüsselfunktionen in unserem Krankenhaus beinhaltet, bedarf es der Expertise von vielen Beteiligten“, betont Uwe Nissen, Leiter der Abteilung für Bau und Technik, der den Neubau von Anfang mitbegleitet hat. „Neben dem Kernteam aus Planern und Architekten hatten auch die Mitarbeitenden der entsprechenden Fachbereiche ein großes Mitspracherecht und haben ihr spezielles Expertenwissen in die Planung des F-Flügels eingebracht.“ So konnten Wünsche und Vorstellungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem pflegerischen und ärztlichen Bereich sowie dem Funktionsbereich von Anfang an miteinbezogen und die Abläufe und logistischen Prozesse rund um die neuen Funktionseinheiten optimiert und angepasst werden. Zusätzlich leisteten aufgrund der Komplexität des Bauvorhabens externe Architekten und Fachingenieuren für Materialfluss und Logistik Unterstützung.
Das Ergebnis der fünfjährigen Bauphase überzeugt auf ganzer Linie. Bereits Ende 2019 wurde nebst neuen Räumen der Bau- und Technikabteilung mit Werkstätten im Untergeschoß der neue Augen-OP-Trakt im Erdgeschoss fertigstellt.
Augen-OP
Über 6.000 operative Eingriffe führt die Universitätsklinik für Augenheilkunde unter der Leitung ihres Direktors Prof. Dr. Dr. med. Stefan Schrader jährlich durch. „Dafür finden wir in den zwei neuen OP-Sälen optimale Raumbedingungen vor“, betont der Klinikdirektor. Hier können die Mitarbeitenden nicht nur unter ergonomischen Bedingungen und mit reichlich Licht- und Platzangebot Spitzenmedizin auf Universitätsniveau praktizieren, sondern die neuen Räume samt Ausstattung orientieren sich auch an den Patientenbedürfnissen, damit diese sich vertrauensvoll in die Hände der OP-Mitarbeiter begeben können. „In der sogenannten Holding Area, wo die Patienten vor und nach dem Eingriff betreut werden, schauen Sie auf ein beleuchtetes Deckenbild mit Himmel und Blättermotiven. Das wirkt zum Beispiel sehr beruhigend“, erklärt Andrea Jurke, pflegerische OP-Bereichsleiterin, die seit Jahrzehnten Patienten in diesem Bereich begleitet und weiß, wie aufwühlend ein operativer Eingriff für die Betroffenen sein kann.
Hybrid-OP
Eine Etage über dem Augen-OP befindet sich der neue Zentral-OP. In einem der vier Säle wurde auf 85 Quadratmetern ein komplett neuer gefäßchirurgischer Hybrid-OP mit einer state-of-the-art Angiographieanlage untergebracht, die in punkto Bildqualität, Beweglichkeit und Leistungsfähigkeit bei reduzierter Strahlenbelastung ihresgleichen sucht.
„Wir hatten das Glück, dass wir durch den Neubau den OP-Saal um das Röntgengerät herumbauen konnten und eine Schwerlastdecke eingezogen wurde, um das Gerät deckenhängend zu installieren. Somit haben wir größtmöglichen Bewegungsspielraum“, berichtet Dr. med. Andreas Cöster, Leitender Arzt der Klinik für Gefäß- und endovaskuläre Chirurgie. Über ein Schienensystem lässt sich mit dem Gerät jede erdenkliche Stelle des OP-Tischs erreichen. Wie kaum eine andere chirurgische Fachdisziplin hat die Gefäßmedizin in den vergangenen 15 Jahren einen Quantensprung durch die Einführung der modernen endovaskulären Kathetermedizin bei gleichzeitig steigender Nachfrage im Bereich der Gefäßchirurgie erfahren. Für das überregionale Zentrum für Gefäßmedizin im Pius-Hospital war der Bau des Hybrid-OPs deshalb eine logische Folge, um das operative Spektrum durch komplexe Prozeduren der endovaskulären Chirurgie weiterentwickeln zu können.
Zentral-OP
Alle neuen OP-Säle wurden von ihren späteren Nutzerinnen und Nutzer aus den operativen Kliniken und der Klinik für Anästhesie und interdisziplinäre Intensivmedizin mitgestaltet. „Wir haben hier ein offenes OP-Konzept umgesetzt, das es uns ermöglicht – unter anderem auch durch eine zentrale Ein- und Ausleitung – die Arbeitsschritte rund um die OP parallel durchzuführen und damit die logistischen Abläufe noch besser und effizienter als zuvor zu gestalten“, weiß Dr. med. Joachim Gödeke. Der Direktor der Klinik für Anästhesie und interdisziplinäre Intensivmedizin, der an der Planung des neuen Herzstücks des Krankenhauses maßgeblich mitbeteiligt war, betont: „Uns war es besonders wichtig, dass sich die neuen Räumlichkeiten förderlich auf das Geborgenheitsgefühl der Patienten auswirken und ihre Intimsphäre in dieser sensiblen Situation jederzeit erhalten bleiben würde.“ Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen sich in der neuen Umgebung wohlfühlen und spüren können, dass sich durch eine Vielzahl neuer strategischer Gestaltungsoptionen und neu verbauter medizinischer High-Tech-Geräte das Spektrum und die Attraktivität der Arbeitsstätte Operationssaal erhöht und das Pius-Hospital für die Zukunft aufstellt.
„Beispiele hierfür sind die Lichtquellen, die sich tageszeitlich anpassen oder beim Operieren das Kontrastsehen erleichtern und Schattenwurf automatisch verringern, hochleistungsstarke Klima- und Belüftungstechnik oder selbstlernende Türen“, zählt Prof. Dr. med. Dirk Weyhe auf, Direktor der Universitätsklinik für Viszeralchirurgie. „Fühlen sich die Mitarbeitenden im OP sicher und gut aufgehoben, hat dies folglich auch einen positiven Effekt auf die Patientensicherheit.“
Die neuen vollintegrierten OP-Säle ermöglichen durch die digitale Unterstützung außerdem intraoperative Vernetzungen mit externen Teilnehmern in Ultra-HD(4K)-Bildqualität. Zum Beispiel kann das Operationsgeschehen live in einen Hörsaal oder eine Expertenrunde gestreamt werden. „Sogar augmented reality die mit patientenindividuellen Hologrammen arbeitet, wird unter Forschungsbedingungen eingesetzt. Medizintechnisch haben wir hier eine Infrastruktur geschaffen, die schon heute Möglichkeiten für zukünftige Entwicklungen bietet, zum Beispiel in Bezug auf die Robotik oder die personalisierte Medizin. Das Ganze könnte man als Katalysator für die Zukunft der Chirurgie bezeichnen, so Weyhe weiter. Insgesamt elf Millionen Euro vom Gesamtbudget wurden in die Medizintechnik des neuen Gebäudes investiert.
Intensivstation der Zukunft
Mit der Gestaltung der neuen Intensivstation mit sieben Zweitbettzimmern im dritten Obergeschoss beschäftigte sich eine spezielle berufsübergreifende Projektgruppe. Unter den Fragestellungen „Wie sieht die Intensivmedizin der Zukunft aus?“ und „Welche Einflussfaktoren und Trends aus Medizin, Gesellschaft, Technik, Digitalisierung und Organisation müssen berücksichtigt werden?“ ist es dem Team gelungen, gemeinsam erarbeitete Maßstäbe zum Wohle der Patientinnen und Patienten bautechnisch umzusetzen.
„Geleitet von einer Forschungsstudie der Charité haben wir im Planungsgeschehen besonders die Bedürfnisse der Patienten und ihr intensivmedizinisches Erleben in den Focus gestellt“, erläutert Dr. Matthias Felber, Leitender Arzt der Klinik für Anästhesie und interdisziplinäre Intensivmedizin. „Unser Ziel war es letztlich, eine gesundheitsfördernde Architektur und technologische Gestaltung zu schaffen, welche psychosoziale Einflüsse und Aspekte berücksichtig, die sich günstig auf die Erholung von der Krankheit und die Gesundheit auswirken.“
Als Teil des Konzepts wurde somit ein Bündel von Maßnahmen implementiert, um Verwirrtheitszuständen von vornherein vorzubeugen. Hierzu zählen u.a. Lärmreduktion, Beibehaltung des Biorhythmus – mit entsprechenden Lichtverhältnissen und Orientierungsmöglichkeiten zu Zeit und Gegenwart – sowie die Mobilisation der Patienten. Hierfür kann auch ein an der Zimmerdecke befestigtes Liftersystem genutzt werden, mit welchem die Patienten trotz schwerer Krankheit im Zimmer sturzsicher mobilisiert werden können.
Bettenstation 4F
Neun großzügig bemessene Zimmer mit insgesamt 20 Betten sind auf der neuen Bettenstation im F-Flügel zur Patientenversorgung entstanden. Eine frische Optik mit Holztönen, warmen Farben und viel Licht kennzeichnet hier das Bild. Auch die Mitarbeitenden der Pflege freuen sich über die neue Station. „Hier können wir unsere Patientinnen und Patienten bestens versorgen und als Team zusammenwachsen“, berichtet Dagmar Hentschel, pflegerische Bereichsleiterin der Station, deren Team für die Station neu zusammengestellt wurde und die das „Wir-Gefühl“ im Pius-Hospital hier in besonderer Weise spürt.
Die Patientenzimmer bieten nicht nur ausreichend Platz, sie sind auch zeitgemäß ausgestattet. Jedes Bett hat sein eigenes „Cockpit“, über welches sich Internet, Fernsehen und Telefon nutzen lässt. Im vierten Stock gelegen und mit bodentiefen Fenstern ausgestattet bieten die Patientenzimmer nicht zuletzt einen großartigen Blick über die Oldenburger City.
„Nun da der neue Gebäudeabschnitt bezogen ist, starten wir damit, die angrenzenden und frei werdenden Bereiche zu sanieren. Dies betrifft zum Beispiel den alten Zentral-OP, gebaut im Jahr 1987, der sich im ersten Stock des angrenzenden Gebäudes befindet. Nach seiner Sanierung wird er mit dem neuen OP-Trakt auf derselben Ebene verbunden und ergibt damit eine große Fläche mit insgesamt acht Sälen“, blickt Uwe Nissen aus der Bau- und Technikabteilung in die Zukunft. Um einen reibungslosen Betrieb zu gewährleisten wurde deshalb das komplette zweite Stockwerk des neuen Gebäudeteils als Lüftungs- und Kältezentrale umgesetzt. Auch Intensiv- und Bettenstation im dritten und vierten Obergeschoss werden dann nach der Sanierung der alten Bereiche mit dem neuen F-Flügel verbunden.
Meilenstein fürs Pius-Hospital Oldenburg: Neuer Gebäudeteil „F-Flügel“ nach fünfjähriger Bauzeit fertig gestellt